In ganz Deutschland leisten über 185 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter privater Sicherheitsdienste einen großen Beitrag zur Gefahrenabwehr und „sind damit innerhalb unserer Sicherheitsarchitektur nicht wegzudenken“, sagt SPD-Bundestagsabgeordneter Marcus Held. Inwieweit die rechtlichen Rahmenbedingungen an diese Veränderungen bereits angepasst sind? Darauf geht der Abgeordnete in seiner sechsten Rede im Deutschen Bundestag ein.

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Die Rede im Protokoll: 

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema, mit dem wir uns heute zu befassen haben, ist ein gesamtgesellschaftliches Thema; denn die Situation und Ausgangslage bei der Überwachung von Gebäuden, von Straßen, von Plätzen, von Veranstaltungen haben sich in den zurückliegenden Jahren stark gewandelt. Das hat Auswirkungen auf das tägliche Leben unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger, auf ihr Sicherheitsempfinden und damit auf die Lebensqualität.

Es geht ganz zentral um das Gewaltmonopol des Staates, um die Frage, ob unsere heutigen Regularien hierfür überhaupt noch anwendbar sind. War es bis vor einigen Jahren völlig klar, dass vom Gewaltmonopol des Staates auszugehen ist und im Bereich der Bewachung und der Sicherheit und Ordnung keine Privatisierung erfolgt, so leisten heute in ganz Deutschland über 185 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter privater Sicherheitsdienste einen großen Beitrag zur Gefahrenabwehr und sind damit innerhalb unserer Sicherheitsarchitektur nicht wegzudenken. Ob wir als Gesetzgeber die rechtlichen Rahmenbedingungen diesen Veränderungen bereits angepasst haben, das ist leider mehr als fraglich.

(Beifall bei der SPD)

Wir müssen sehen, dass sich hier zwei Interessen gegenüberstehen. Zum einen ist da die althergebrachte und in unserer Rechtsordnung tief verwurzelte Auffassung, dass das Gewaltmonopol grundsätzlich beim Staat liegt. Nach dieser Auffassung bestehen Eingriffsrechte nur durch Organe des Staates: durch die Polizei, ihre Hilfsbehörden sowie kommunale Ordnungsämter in abgestufter Weise. Dieser seit Jahrzehnten in unserer Rechtsordnung verbriefte Grundsatz ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund unserer Geschichte durchaus nachvollziehbar und begründet. Auf der anderen Seite müssen wir, wenn 185 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in privaten Sicherheitsdiensten heute vergleichbare Aufgaben in unserer Gesellschaft verrichten, prüfen, welche Rechte diesen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zukommen sollen und ob diese Rechte dann nicht mehr bei der Polizei und damit bei dem Gewaltmonopol des Staates liegen müssen.

Voraussetzung für eine solche Übertragung und Veränderung des Rechtssystems ist allerdings, dass private Sicherheitsfirmen in der öffentlichen Wahrnehmung unumstritten sind, breites Ansehen und Anerkennung genießen, wie dies beispielsweise bei der Polizei der Fall ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Diese Anerkennung kann nur erreicht werden, wenn die Qualität der privaten Sicherheitsdienste stimmt und wenn vor allem die qualitative Auswahl des Personals sichergestellt ist. Deshalb haben wir im Koalitionsvertrag festgeschrieben, dass wir verbindliche Anforderungen an Seriosität und Zuverlässigkeit privater Dienstleister und ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stellen wollen.

Eine Arbeitsgruppe zur Überprüfung und Überarbeitung des Bewachungsrechts ist unter dem Vorsitz des BMWi eingerichtet worden. Sie soll noch in diesem Jahr entsprechende Lösungsvorschläge erarbeiten und vorlegen. Wir wollen die Ergebnisse der Kommission abwarten und dann gemeinsam Verbesserungen umsetzen.

Derzeit ist das Bewachungsgewerbe in § 34 a der Gewerbeordnung und in der Bewachungsverordnung geregelt. Die Erteilungsvoraussetzungen sind sehr niederschwellig. Das Gleiche gilt leider auch für Personen, die in Bewachungsunternehmen beschäftigt sind. Was kann und soll sich ändern?

Wir haben uns heute mit dem Antrag der Kolleginnen und Kollegen der Grünen zu befassen und sind im Gegensatz zu dem, was Sie in Ihrem Antrag schreiben, nicht der Auffassung, dass wir § 31 der Gewerbeordnung ausdehnen sollten; denn § 31 der Gewerbeordnung beschäftigt sich mit Bewachungsunternehmen, die auf Seeschiffen tätig sind und zur Bekämpfung von Piratenangriffen eingesetzt werden. Diese Aufgabe ist mit einem durchschnittlichen Bewachungsgewerbe nicht vergleichbar. Das Zulassungsverfahren wäre zu aufwendig und kostenintensiv. Außerdem würde es die Gefahr mit sich bringen, dass kleine Bewachungsunternehmen vom Markt verdrängt würden. In der Praxis liegen die Probleme zudem nicht bei den Unternehmen, sondern beim eingesetzten Bewachungspersonal. Hier müssen wir ansetzen. Eine gute Ausbildung, ein gutes Auftreten und vor allem Fingerspitzengefühl in brenzligen Situation sind beim Bewachungspersonal wichtig.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Genau in diese Richtung ist die Arbeitsgruppe in ihrer ersten Sitzung im Januar gegangen. Es werden die Erhöhung der Sachkundeanforderungen für die Bewacherinnen und Bewacher, die Einführung regelmäßiger Zuverlässigkeitsüberprüfungen und anderes vorgeschlagen. Weitere Ansätze für Qualitätsverbesserungen können sich durch die Weiterentwicklung der Norm DIN 77200 ergeben, die sich mit genau diesen Anforderungen befasst. Wir haben uns in diesem Jahr aber auch noch mit dem Vergaberecht zu beschäftigen. Gerade durch Verbesserungen im Vergaberecht können wir für das Bewachungsgewerbe einiges auf den Weg bringen; denn wenn es um Menschen geht, kann nicht immer nur der Preis entscheiden. Hier muss vor allem die Qualität stimmen. Deshalb ist als wichtiges Auswahlkriterium der Nachweis qualitätssichernder Standards einzuführen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Qualität hat ihren Preis, und das ist auch gut so für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesem privaten Sektor.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir wollen keine Regelung auf EU-Ebene ‑ auch das sage ich deutlich ‑, da dies nur zu EU-Minimalstandards und damit zu einer Absenkung des Niveaus in Deutschland führen würde.

Zum Schluss möchte ich zusammenfassen: Wir wollen die Anforderungen an Seriosität und Zuverlässigkeit privater Sicherheitsfirmen erhöhen, indem wir Änderungen im Gewerberecht vornehmen. Qualifizierte private Sicherheitsdienste können zur wirksamen Entlastung der Polizei in unserem Land beitragen und die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland verbessern. Dazu muss aber sichergestellt werden, dass solche Privaten zum Zuge kommen, die genau die Qualifikationen, die ich genannt habe, nachweisen.

Wir müssen in dieser Debatte aber auch die grundsätzliche Frage beantworten, ob wir bereit sind, gesetzlich verankerte Befugnisse des staatlichen Gewaltmonopols Polizei auf private Sicherheitsdienstleister zu übertragen, wie zum Beispiel die Überprüfung von Personalien oder die Aussprache von Platzverweisen. Viele Tausend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter privater Sicherheitsfirmen unterstützen schon heute die Ordnungsämter unserer Städte bei der täglichen Arbeit. Auch hier werden wir zu entscheiden haben, wie wir dazu stehen. Am Ende bleibt die Kernfrage: Rütteln wir am staatlichen Gewaltmonopol aus Artikel 33 des Grundgesetzes oder nicht? Die heutige Diskussion über das Bewachungsrecht ist nur ein Einstieg.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)